Sozialpsychologie: Einladung zur Reaktanz


Cartoon Oliver Kock Reaktanz Mann pinkelt gegen Buchstaben: Du musst!

Noch ziert sich die Politik, für den Klimaschutz und den Artenschutz strenge Ge- und Verbote zu erlassen. Doch dies ist in Anbetracht der ernsten Lage nur eine Frage der Zeit.

 

Ein außergewöhnliches Experiment zweier Psychologen macht deutlich, worauf bei Verboten zu achten ist, wenn keine Trotzreaktionen provoziert werden sollen.

 

Viele sozialpsychologische Experimente finden unter Laborbedingungen statt. Doch von Zeit zu Zeit suchen unerschrockene Sozialwissenschaftler (m/w/d) Orte außerhalb des Labors auf. In diesem Fall handelte es sich um ein Örtchen, an das es 1976 die Forscher James W. Pennebaker und Deborah Y. Sanders verschlug. Genauer: ein stilles Örtchen – die öffentlichen Toiletten einer Universität im Süden der USA.

 

Öffentliche Toiletten, so könnte man sagen, sind die Vorstufe der heute bekannten Social Media Plattformen– bloß eben analog. Ähnlich wie im Internet geben User ihren Senf - hier in Form von Wandschmierereien ab. Und ähnlich wie im Internet kommen auf eine scharfsinnige oder witzige Bemerkung jede Menge verbale oder grafische Ergüsse unter der Gürtellinie.

 

Wimmel-Pimmel-Bilder interessierten die beiden Wissenschaftler allerdings nur am Rande. In erster Linie wollten sie herausfinden, wodurch Reaktanz bei den unfreiwilligen Probanden hervorgerufen wird.

 

Mit reaktantem Verhalten wird die Auflehnung gegen Einschränkungen oder Verbote bezeichnet. Wenn uns also jemand etwas verbietet und uns somit in unserer Handlungsfreiheit einschränkt, kann dies zu einer Trotzreaktion führen unter dem Motto Jetzt Erst Recht!

 

Vor Örtchen fragten sich in unserem Fall nun die Wissenschaftler, wie man diesen durch und durch unkreativen Klo-Ergüssen am besten Herr werden könnte. Und starteten ein Experiment.

 

Dazu brachten sie lediglich zwei unterschiedlich beschriftet Schilder in verschiedenen Toilettenräumen an. Auf dem einen Schild hieß es: Schreiben Sie nicht an diese Wände. Das Wort NICHT dick unterstrichen.

Auf dem zweiten Schild stand, etwas höflicher formuliert: Bitte schreiben Sie nicht an die Wände. Hinzu kamen die Signaturen zweier fiktiver Personen. Bei dem strengen Hinweis hatte der vermeintliche Sicherheitschef der Universitätspolizei unterschrieben, eine hohe Autorität also.

Unter der höflichen Bitte war die Unterschrift eines einfachen Vertreters der Hochschulsicherheit zu lesen.

 

Die beiden Forscher brachten die Schilder in unterschiedlichen Kabinen an und analysierten von früh bis spät die Kritzeleien der Studenten.

 

Das Resultat: Signifikant mehr negative Reaktionen erhielt die schroffe Aufforderung des Polizeichefs. Dessen autoritärer Tonfall hatte die studentischen Klosprücheklopfer geradezu herausgefordert, mit schlüpfrigen Einzeilern zu kontern. Auffällig häufig waren Verunglimpfungen, die an den Polizeichef adressiert waren.

 

Das zeigt: bei Geboten und Verboten gilt es, um die Reaktanz der Rezipienten zu verhindern, das Augenmerk auf den Sender als auch auf dessen Wortwahl zu legen. Oder, anders gesagt: Ob auf dem stillen Örtchen oder auf der gesellschaftlichen Bühne, stets macht der Ton die Musik!

 

Get Greenfluenced!

 

Oliver Kock

 


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